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ieser Beitrag wird so völlig anders als alle anderen, die ich bisher hier veröffentlicht habe. Das erste Mal überhaupt werde ich einen Artikel veröffentlichen den ich nicht selber aktiv oder passiv geschrieben habe. Mit anderen Worten “Meine Partnerin meldet sich zu Wort” – Schon lange habt Ihr es Euch gewünscht – vielleicht sogar ersehnt – die Chance zu bekommen auch einmal alles aus ihrer Position zu erfahren. Partnerinnen von Transmenschen haben es meist nicht leicht – Sind sie doch oft völlig unerwartet mit der Thematik konfrontiert. Aber lest am Besten selber wie es meiner Liebsten mit mir ergangen ist.

Eine Partnerin meldet sich zu Wort

So, nachdem ich schon lange gefragt werde, ob ich nicht einen Beitrag für Ellens Blog schreiben möchte, komme ich dem endlich einmal nach.

Ich heiße Petra und bin die Ehefrau von Ellen. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so recht, was interessant oder wichtig für Euch sein könnte, daher habe ich beschlossen Euch zuerst einen zeitlichen Überblick zu geben und gehe näher auf die Zeit des Outings ein.

Wir haben uns Sommer 2012 im Internet und wenig später auch im realen Leben kennen gelernt. Oder anders ausgedrückt, ich habe damals einen alleinerziehenden Vater kennen gelernt. Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich diesem Mann überhaupt eine Chance geben sollte, da er auf den Fotos sehr brav und mit fast „zu glatt“ aussah. Da uns aber der gleiche Musikgeschmack und derselbe englischer Humor verband, einigten wir und relativ zügig auf ein Treffen.

Wie soll ich sagen, das verlief sehr positiv und von da an hörten wir jeden Tag voneinander und verbrachten die Wochenenden miteinander. Wir zogen relativ zügig zusammen und bildeten eine Patchworkfamilie. Damals ahnte ich in keinster Weise, dass mich etwas so Grundlegendes überraschen sollte. Mir fiel allerdings relativ bald auf, dass dieser wundervolle Mann immer wieder anscheinend grundlos in depressive Grübeleien verfiel, die eine fast schon verzweifelte Traurigkeit beinhalteten. Einen Grund konnte er mit allerdings nie dafür nennen.

Nach unserem Zusammenzug verlief alles sehr harmonisch, allerdings war ich nicht viel zu Hause, da ich fast Vollzeit in der nächsten größeren Stadt arbeitete, und so nur wenig gemeinsame Freizeit blieb.

Die Abwärtsspirale

Etwa ein Jahr später begannen diese depressiven Phasen zuzunehmen und waren nur noch schwer auszuhalten. Vor allem weil keine Grund benannt werden konnte, und diese tiefe Traurigkeit so unberührbar blieb. Scheinbar konnte nichts helfen und ich wusste nicht so recht, was ich noch tun konnte. Dann im Spätsommer, fast schon Herbst 2014, ein gutes Jahr nach unserem Zusammenziehen, kam der Tiefpunkt. Der totale Zusammenbruch meines (wie ich es damals noch sah) Partners. Der Beginn des Outings war recht holprig, es startete mit „ich trage gerne Frauenkleidung“ und wechselte jede Woche, es gab ein Zurückrudern, ein „es ist wohl doch etwas mehr als nur das“. Ich wusste nicht mehr, was da gerade ablief, welche Version gerade aktuell war, was davon überhaupt stimmte und war zugegebenermaßen erst einmal total überfordert. Zum einen hatte ich anfangs das Gefühl, dass noch nicht alle Karten auf dem Tisch lagen (was ja im Nachhinein betrachtet durchaus stimmte). Zum anderen das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Da war ich vor einem Jahr mit meinen Kindern in eine völlig neue, fremde Umgebung gezogen, hatte mich nach einer gescheiterten Ehe noch einmal getraut einem Mann, einer Beziehung zu vertrauten und dann kam das. Das? Ja, was eigentlich genau?! Etwas, dass ich noch nicht mal näher benennen konnte, weil es eine große Unbekannte war. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und die Situation hat mich in diesem Zeitraum total überfordert.

Notbremse?

Nach dem ersten Outing-Gespräch bin ich erst einmal an die frische Luft gegangen, wollte einfach nur alleine sein. Gedanken, Gefühle sortieren und sehen was die neuen Informationen mit mir machen. Die Tränen liefen, es tat so viel weh, ich dachte an meinen Partner und verstand endlich, wie und warum in seiner Vergangenheit die Dinge so passiert sind, wie sie passiert sind, es machte so vieles endlich Sinn. Ich dachte an „unsere“ Kinder, aber natürlich auch an mich, konnte und wollte ich mich der neuen Situation stellen?! Ich sagte von Anfang an, dass es sein könne, dass ich mit der ganzen Sache überfordert bin mich trenne. Da waren wir einer Meinung, es konnte vielleicht funktionieren, aber eine Garantie gab es ganz sicher nicht. Es konnte sein, dass ich einen Teil des Weges mitgehen konnte und würde, aber genauso, dass ich irgendwann zu meinem eigenen Schutz einen Schlussstrich ziehen würde. Selbst heute würde ich nicht sagen, dass es nie soweit kommen würde, Beziehungen haben nun mal eine Dynamik und ich habe gelernt, dass (leider) nichts ewig wärt.

Ein steiniger Weg

Was mich außerdem sehr aus der Bahn geworfen hat war der Gedanke, dass es da einen Bereich im Leben des Menschen, den ich liebte gab, zu dem ich keinen Zutritt hatte, den ich nicht kannte, in den ich nicht eingeweiht war. Ähnlich, wie wenn man erfährt, dass der Partner eine Geliebte hat. Seine Gefühle bei einem anderen Menschen sind, es Teile in seiner Seele gibt, zu denen man keinen Zutritt hat, man fühlt sich ausgeschlossen, so als ob man die Person, mit der man zusammen lebt gar nicht mehr kennen würde. Zu diesem Zeitpunkt war ich oft froh, in die Arbeit gehen und aus der Situation fliehen zu können. Nach mehreren Anläufen, meinem zwingenden Wunsch, dass mein Partner eine Selbsthilfegruppe besucht, und vielen emotionalen Gesprächen stand dann also die Transgeschlechtlichkeit im Raum. Endlich hatte ich das Gefühl zu wissen, was eigentlich los war. Es war sicht- und greifbar, im Raum stand allerdings noch, wie wir damit umgehen würden. Ich sah einen Menschen, der sein Leben lang gelitten hatte, einen Menschen, der mit den für ihn falschen Geschlechtsmerkmalen geboren war. Mir war jetzt klar, warum dieses Kind von den anderen Kindern gemobbt und ausgegrenzt wurde. Mir wurde mehr und mehr klar, warum das Leben dieser Person so verlaufen war. Trotzdem war da aber auch noch ich mit meiner Familie, wie würden meine Kinder reagieren? Wollte ich diesen Weg wirklich mitgehen oder war es erst einmal einfacher, als wieder alle Sachen zu packen und auszuziehen? Was waren eigentlich meine Gefühle? Ich hatte nicht umsonst einen sozialen Beruf gewählt, hatte ich ein zu stark ausgeprägtes Helfersyndrom? Dazu kam ja noch die Tatsache, dass die ersten Schritte im Leben als Frau nicht nur äußerlich mehr als holprig waren. Eigentlich war es ein Überraschungspaket, ich wusste anfangs nicht, was am Ende heraus kommen würde. Aber ich sah täglich wie die Menschen im direkten Umfeld reagierten. Irritiert, glotzend, tuschelnd … Anfangs glich jeder Einkauf einem Spießrutenlauf, hatte ich neben meinem Beruf und meiner Familie tatsächlich die Kraft das jedes verdammte mal mitzutragen?! Irgendwann bin ich dazu übergegangen demonstrativ zurückzustarren, meistens haben diese Personen dann irritiert oder ertappt weggesehen. Ich muss aber ganz ehrlich gestehen, dass es inzwischen viel einfach und leichter ist, seit meine Frau in der Menschenmenge untergeht und von unserem Umfeld auch als Frau wahrgenommen wird.

Im hier und jetzt angekommen.

Um noch einmal zum groben Ablauf zurück zu kommen, seit dem Outing besuchte meine Frau die Selbsthilfegruppe und den Stammtisch, ich kam mit, wenn es mir möglich war. Wie die Transition in ihren einzelnen Schritten gelaufen ist könnt ihr in Ellens Blog nachlesen. Im Jahr 2015 beschlossen wir zu heiraten, zu diesem Zeitpunkt waren die Papiere meiner Frau noch nicht umgeschrieben und wir heirateten – zumindest offiziell – als Mann und Frau. Damals war noch nicht abzusehen, wie (schnell) sich die Gesetzeslage ändern sollte und wir wollten auf jeden Fall den Status „verheiratet“ für uns beanspruchen. So feiern wir also in den nächsten Tagen unseren zweiten Hochzeitstag und das schönste Geschenk wäre eine Heiratsurkunde, in der unsere jetzigen offiziellen Namen stehen. Leider wird uns das immer noch verwehrt.

Ich bin jetzt hauptsächlich auf meine Gefühlslage als Partnerin während des Outings eingegangen. Gerne gehe ich auch noch auf andere Punkte näher ein, allerdings müsste ich dann wissen, was Euch interessiert.

An dieser Stelle möchte ich nochmal meiner Liebsten für den offenen und ehrlichen Beitrag danken. Danke das es Dich gibt und danke, dass wir diese schwere Zeit gemeinsam durchgestanden haben. Ich hoffe es bleiben uns noch viele weitere und schöne Jahre, die wir glücklich zusammen verbringen können. Danke dass es Dich gibt. Deine Ellen

Ich hoffe Euch hat der Beitrag gefallen und wenn ihr mögt hinterlasst doch einen Kommentar. Meine Partnerin und ich würden uns sicherlich darüber freuen.

Liebe Grüße
Ellen