Beratungsgespräch
Tja, also hatte ich mich in meinen Augen bereits Tage vorher gut vorbereitet. Ein paar Fotos und ausführliche Notizen gemacht, diese ausgedruckt und bin voller Zuversicht zu dem Termin nach München gefahren. Doch kaum hatte ich das eigentliche Arztgespräch, brach mein ach so durchdachtes und geplantes Konzept wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Ihr solltet vielleicht wissen, dass es mir erheblich an Durchsetzungsvermögen fehlt und der Arzt mir eben erklärte, dass es ihm zu heikel / gefährlich wäre, und er deswegen an dieser Stelle einfach nicht operieren wird. Egal wie sehr ich es wollen würde. Neue Narben würde er dort so oder so nicht riskieren - und so war ich dann eben von der einen auf die andere Sekunde zu Tode betrübt.
Mit Tränen in den Augen war ich schon drauf und dran wieder zu gehen, als er bei der Untersuchung fragte: "Wie läuft es eigentlich mit dem Wasserlassen?" - Ich schilderte ihm, dass es soweit in Ordnung ist. Ich aber keinen wirklichen Strahl habe, sondern dass viel mehr einfach alles als Rinnsal am Körper / Oberschenkel herunter liefe. Es folgte ein genauerer prüfender Blick vom Arzt. Er zog und drückte etwas rum und stellte dann fest, dass die Klitoris viel zu weit nach Unten "gerutscht" war - diese vor der Harnröhrenöffnung lag und das es besser wäre diese wieder operativ nach oben zu verlegen.
Wenn ich wollte, könnten wir die "Klitoris-Anhebung" gleich nächste Woche in der Praxis ambulant durchführen, aber so wie er mich einschätzt wäre mir wohl ein stationärer Krankenhausaufenthalt lieber. Womit er natürlich absolut recht hatte. Denn um ehrlich zu sein, ich weiß wie die letzten zwei Narkosen gelaufen sind und in dem Zustand ins Hotel wanken zu müssen. Nein, danke das hätte ich nicht gebraucht und vermutlich auch gar nicht geschafft.
Mit einem Termin für eine zweite Korrektur-OP im Juli, die ich so nicht geplant hatte, verließ ich die Praxis mit gemischten Gefühlen wieder in Richtung Heimat. Geknickt war ich dennoch etwas. Hoffentlich würde diese Operation dann doch wenigsten auch etwas für mein allgemeines Wohlbefinden tun.
~Zeitsprung~
Die zweite Korrektur-OP
Wie schon bei der ersten Korrektur-OP, im September letzten Jahres, hatte ich diesmal überhaupt keine Angst und keine Spur von Aufregung. Viel mehr hatte ich eigentlich sogar keine Lust auf Krankenhaus. Ich wusste ja im Groben und Ganzen, was mich erwarten würde. Wer hat auch schon das Bedürfnis nach Schmerzen und einem wunderschönen Blasen-Katheter? Ich auf jeden Fall nicht. Doch ging es darum endlich einen positiven Schlusspunkt unter alles setzen zu können und so fügte ich mich dem, was ich ursprünglich selber gewollt hatte, der Operation.
Der Tag vor dem "großen Ereignis" (positiv geschrieben) verlief wirklich recht entspannt und war schon fast mehr wie ein kleines Klassentreffen. Nicht nur die Schwestern waren mir zum Großteil bekannt. Nein, viele andere Patienten kannte ich schon von meinen früheren Aufenthalten und entsprechend herzlich war das unerwartete Wiedersehen. Meine Zimmernachbarin von der ersten Operation die ich wieder traf weiß was ich meine.
Am Nachmittag hatte ich das Aufklärungsgespräch und konnte nochmal alle meine Wünsche (was gemacht werden soll) vortragen. Was ich dann auch ausgiebig nutzte. Wie in einem Drive-In stellte ich mir mein Menü zusammen: "Einmal Klitoris-Anhebung", "Kleine rechte Schamlippe verkleinern", "Alles etwas symmetrischer machen", "Die Verwachsung entfernen", "Alles einmal einpacken und zum Mitnehmen bitte", "Nein, kein Ketchup und keine Mayo", "Danke".
Die Operation am nächsten Tag verlief auch recht unspektakulär. Außer das ich beim Umbetten von einer hysterisch winkenden und gut in OP-Kleidung eingehüllten Person mit den Worten: "Was machst Du denn hier!!!" begrüsst wurde. Eine Schwester die ich schon etwas länger kannte gab sich zu erkennen und wir hatten sichtlich unseren Spaß das wir uns dort getroffen hatten. Danach lag ich dann etwas mehr als eine Stunde, weil es sich doch irgendwie bei der Operation vorher verzögerte, im Vorbereitungsraum zum Operationssaal. War das langweilig und es dauerte ewig bis ich endlich ins Land der Träume geschickt wurde. In dem Fall eine Erlösung.
Knapp eine Stunde später lag ich dann schon wieder hellwach im Aufwachraum und unterhielt mich munter mit den anwesenden Pflegekräfte, so dass ich noch vor zwölf Uhr wieder auf dem Weg ins Zimmer war. Vielleicht war das zu früh, aber nachdem ich wieder auf dem Zimmer war und mein Essen bekommen hatte, sah ich fast sieben Stunden keine Schwester mehr. Niemand der irgendwie kontrollierte ob ich überhaupt noch am Leben war. Seltsam. Aber es ging mir an sich ja auch soweit gut. Keine Blutung, keine Schwellung alles sah gut aus.
Bis. Naja, bis eine Schwester mir am Abend oder nächsten Morgen (ich weiß es nicht mehr so genau) eine Thrombose-Spritze gab. Das eine Blutverdünnung nach einer gerade statt gefundenen Operation keine gute Idee ist - vor allem bei mir - weiß ich jetzt auch. Innerhalb von wenigen Stunden fing ich aus der frischen Narbe an zu bluten. Alles schwoll an und ich klingelte nach Hilfe mit den Worten: "Ich habe ein Problem, ich blute". Als Antwort kam nur ein: "Ja, wir machen gerade unsere Runde und sind dann gleich bei Ihnen". Die Zeit verging. Es lief munter weiter und nach 90 Minuten schickte ich meine Bettnachbarin (die selber Krankenschwester ist) Hilfe holen. Kurz darauf ging die Tür auf .. "Sie müssen sich schon gedulden, wir sind gerade im Stress!" - Ich wollte noch "Aber, aber" sagen, doch die Person war schon wieder weg. Nach weiteren 90 Minuten ging die Tür endlich wieder auf und die Schwestern, die ihre Runde machten, kamen rein.
Der Verband und das Bett waren mittlerweile recht rot und die Schwellung beachtlich. "Wieso sagen sie nicht, dass sie bluten?!" - WTF, hab ich doch! Auf jeden Fall waren alle auf einmal in heller Aufregung, so dass sogar der Assistenzarzt gerufen wurde und ich erstmal ein generelles striktes Aufstehverbot bekam. Aber hey, die Thrombose-Spritzen wurden abgesetzt. Ich hatte ein paar Kühlpacks und Sandsäcke mehr und der Verband war frisch. Wobei ich mir dann das erste Mal freiwillig Schmerzmittel geben ließ. Wer mich kennt, weiß das ich es eigentlich gar nicht mag. Aber die Klitoris und der Rest brannte wie Feuer.
Die Tage danach verliefen dann wieder ziemlich "normal" für ein Krankenhausaufenthalt - Ich durfte schon einen Tage später wieder aufstehen, auch wenn die Schwellung nun dafür sorgte, dass ich etwas länger dort blieb. So lernte ich aber ein paar andere Mädels kennen und erfreute mich allmählich der "neuen" Optik meines Genitals. Endlich konnte ich sagen: "Ja so gefällt es mir", auch wenn die "Verwachsung" nicht korrigiert wurde. Habe ich nun einen Zustand den ich selber gerne anschaue und mit dem ich durchaus Leben kann. Ach ja und das "Wasserlassen" funktioniert jetzt besser als jemals zuvor. Was hätte ich mehr wollen können?
Wieder daheim
Wieder daheim lernte ich erstmal wieder, dass es viel Geduld braucht bis eine Wunde im Intimbereich und ein großes Hämatom dort abheilt. So waren Damen-Hygiene-Einlagen (Binden) die letzten drei Wochen meine treuen Begleiter. Ohne diese hätte ich das Haus vermutlich nicht verlassen können. Dunkelrotes altes Blut sickerte ständig heraus. Der Geruch bei den Temperaturen - jenseits der 30 Grad - gaben mir dazu den Rest und ich verzweifelte zusehends.
Mittlerweile habe ich es aber geschafft. Die Wunde ist so gut wie verschlossen und bis auf ein wenig Wundwasser kommt kein Blut mehr. Die Einlagen kann ich ebenso inzwischen weg lassen und ich freue mich fast jeden Tag beim Duschen über den Anblick. Warum hätte es nicht schon nach der ersten Korrektur-OP so sein können, frage ich mich dann. Aber darüber will ich mir einfach keine Gedanken machen. Die Operationen sind jetzt für mich abgehakt. So schnell werde ich mich sicherlich nicht nochmal freiwillig operieren lassen.
Und damit schlage ich dann wohl nun endgültig, auch wenn ich Ende September nochmal zur Kontrolle bin, das Kapitel Geschlechtsangleichende Operation zu. Danke dafür das ich nun endlich ganz bin.
Alles Liebe
Ellen