19. November 2016

Voruntersuchung (HNO-Arzt) für die Logopädie

Lesezeit: ca. 4 Minuten

Stimmpassing - Mann-zu-Frau

Hallo Ihr Lieben,

nachdem ich meinen Antrag für die Geschlechtsangleichende Operation (GaOP) letzte Woche zur Krankenkasse geschickt habe, stand dieses Woche für mich ein Besuch in der Phoniatrie in Nürnberg auf dem Zettel. Hä, Phoniatrie?! Noch nie gehört! Was ist das? Ja, genauso hab ich auch gedacht. Mit dem Begriff konnte ich einfach so gar nichts anfangen. Wer kommt auch darauf, dass es sich um eine Spezialisierung von einem HNO-Arzt handelt? Wie dem auch sei, meine Wunsch Logopädin bestand mehr oder weniger darauf, dass ich ihr eine Verordnung von genau so einem Arzt vorlege.

Phoniatrie: Die Phoniatrie (griechisch: „Stimmheilung“) ist eine medizinische Disziplin, die sich mit Störungen der Stimme, des Sprechens, der Sprache und des Schluckakts diagnostisch, therapeutisch und wissenschaftlich beschäftigt. – Quelle: Wikipedia

Wie dem auch sei. Ich machte mich also auf der Suche nach einem Spezialisten und musste mal wieder schmerzlich erfahren, dass es hier in der Stadt natürlich keinen gibt. War ja klar! Manchmal macht das Leben in der “Provinz” echt keinen Spaß. Also was blieb mir anderes übrig, als einen Termin in Nürnberg zu machen? Auch wenn es wieder einen kompletten Tag Verdienstausfall für mich bedeutete.

Was nimmt man schon alles für ein “vernünftiges” Passing in Kauf? Klar, ich hab mal am Anfang der Transition gesagt: “Logopädie, brauch ich nie” oder “mach ich nicht”. Doch wenn ich eins gelernt und begriffen habe, die Transition ist ein stetiger und anhaltender Lernprozess. Viele Dinge und Empfindungen ändern sich einfach im Laufe der Zeit. Was für mich eins in Ordnung war, ist es jetzt schon gar nicht mehr. Sei es die Genitalabweichung oder in diesem Fall das “schlechte” Stimmpassing.

Im Alltag läuft im Normalfall alles gut. Nur passiert es mir halt immer wieder am Telefon dass ich misgendert werde. Mit anderen Worten als “Herr” angesprochen werde. Gerade weil ich beruflich sehr viel telefoniere ist es schon ein Punkt der mich immer mehr belastet. Ich erhoffe von der Logopädie auch nicht, dass meine Stimme wesentlich höher wird, es reicht mir, wenn ich einen Weg finde bestimmte weibliche Sprachmuster zu trainieren. Schließlich gibt es auch genug andere “geborene” Frauen die eine tiefere und rauere Stimme haben als ich und bei denen keiner sich die jemals die Frage stellen würde, ob die Person am anderen Ende der Leitung nun “weiblich” oder “männlich” ist.  Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt ob meine Hoffnungen halbwegs erfüllt werden und selbst wenn nicht, hab ich es wenigstens probiert.

Aber jetzt mal besser zu meinem Termin beim HNO-Arzt (bzw.  Phoniatrie), bevor ich wieder ewig abschweife. Es war alles mehr oder weniger recht entspannt und vom Ablauf viel schneller als ich erwartet hatte. Das komplette Praxis-Team war extrem motiviert und total freundlich. Da könnte sich so manche Praxis etwas von abschauen.  Auf jeden Fall  ging es Schlag auf Schlag oder sollte ich sagen Test auf Test. Neben dem Hörtest – bei dem ich erfahren habe, dass mein linkes Ohr schlechter hört als das rechte (ich werde wirklich alt) – musste ich auch noch meine Gesangskünste zum Besten geben. Öhm, na ja.. *räusper*

Wer mich schon mal singen gehört hat der weiß das ist keine Kunst, sondern grenzt eher an gefährliche Körperverletzung. Aber gut, sie wollten es unbedingt also gab ich mein bestes *krächz*. Wieso es aber ausgerechnet “Hänschen klein sein musste” muss ich nicht verstehen. Dann noch schnell ein paar Sätze im normalen Tonfall ins Mikrofon vorgelesen und gesehen wie hoch meine Stimme bzw. der Pegel eigentlich dann doch im Vergleich zum “Normalbereich der männlichen Stimme” ist.  Schon faszinierend, wie anders man sich selbst dann doch immer wieder einschätzt.

Zum Abschluss der Untersuchungen kam es dann zur ärztlichen Untersuchung. Mein Gott war das grausig. Hab ich schon erwähnt, dass ich es hasse wenn mir etwas durch den Mund in Rachen eingeführt wird.  *würg* Ein Glück hat der Arzt es dann doch noch rechtzeitig erkannt und ist dann doch lieber den Weg über die Nase gegangen. Viel länger hätte ich eh für nichts mehr garantieren können. Über die Nase konnte er sich wenigstens das gewünschte Bild von den Stimmbändern machen. Ich bleib dennoch dabei, ich hasse es und will das möglichst so schnell nicht wieder machen müssen.

Beim anschließenden Arztgespräch ging es dann darum, dass sie festgestellt haben dass ich auf dem linken Ohr eben schlechter höre und dass er ansonsten mit allem anderen zufrieden ist. Na wenigstens etwas. Ich dachte schon er zerlegt mich jetzt. Aber nein, es kam komplett anders als ich dachte. Er erklärte mir, dass er mir jetzt erst mal 10 Stunden Logopädie verordnet. Er aber findet, dass die Stimme nicht wirklich tief (geschweige “männlich”) ist und es mit den 10 Stunden wahrscheinlich schon erledigt sein sollte. Weil er denkt, dass ein Arbeiten an der Stimmmuster (Melodie) absolut reichen sollte.

War das ein indirektes Kompliment? Ich traute meinen Ohren nicht. Auf jeden Fall nehme ich es jetzt mal als solches und freue mich ein klein wenig. Mit der Verordnung in der Hand ging es dann guten Mutes zurück nach Hause. Ich hatte schließlich noch was tolles zu erledigen. Richtig, ich hab sofort daheim die Logopädin angerufen und einen Termin für den kommenden Dienstag ausgemacht. Es geht also los – die Arbeit an meinem Stimmpassing beginnt. Ich hoffe nur, dass sie nett ist und mit mir Nachsicht hat, wenn ich mir etwas seltsam in möglichen Situationen vorkomme. Liegt vermutlich am mangelnden Selbstbewusstsein, aber hey ich hab schon so viel geschafft was ich wollte. Dann werde ich dass doch auch noch schaffen. Ich werde Euch auf jeden Fall berichten.

Liebe Grüße
Blackwitch

Stichworte: Logopädie Mann-zu-Frau Phoniatrie Stimmpassing Transfrau Transsexualität