19. Oktober 2014

Auf zur Selbsthilfegruppe...

Lesezeit: ca. 5 Minuten

Lange lange habe ich mit mir gerungen. Habe ich doch bis jetzt immer mein Leben lang alles mit mir selbst ausgemacht. Es ist eine Nummer sich einzugestehen, dass man sein wahres ich immer unterdrückt hat. Nur um das vorherrschende Rollenbild zu passen. Klar dass die Seele das nicht auf Dauer mitmacht und “Narben” bleiben. Jetzt war und bin ich aber an dem Punkt wo es nicht mehr weitergeht. Entweder ich öffne mich und suche nach Hilfe oder mein Umfeld und vielleicht auch ich, nehmen irreparablen Schaden. Ich glaube dass ist es mir nicht Wert.

Vor allem wenn ich zurück Blicke sehe ich all den Kummern und den Leid, der mich ein Stück weit betrübt – evtl. sogar depressiv – gemacht hat. Bestimmt waren auch andere Faktoren daran beteiligt, die ich gar nicht so gerne wieder hervor holen möchte.

Wie bekannt sein dürfte hatte ich vor gar nicht allzu langer Zeit endlich, ich betone den Umstand endlich, den Punkt an dem es nicht mehr anders ging. Alles in mir rebellierte und führte mich vor dem Punkt. Entweder akzeptierst Du es jetzt endlich oder Du nimmst Schaden. So wurde mir also “wieder” bewusst was mit mir eigentlich los ist. Das ich anders bin als ich es fühle und anders als alle anderen die ich kenne. Das Fazit war also ich bin trans. Ich bin abgeschweift.

Na ja, auf was ich eigentlich hinaus wollte. Ich beschloss mein Leben in die Hand zu nehmen und zu einem monatlichen Gruppentreffen der örtlichen Selbsthilfegruppe zu gehen. Da ich zu dem Zeitpunkt noch nicht bei meiner Partnerin geoutet war, kündigte ich schon Tage vorher an, dass ich an dem Tag in die Stadt gehen würde um ein Handyspiel zu spielen. So weit so gut. Vor etwa zwei Wochen war es dann so weit. Ich sorgte dafür dass ich los konnte und war auf dem Weg. Doch vor der Tür der Selbsthilfe war es vorbei mit dem Mut und den Vorsätzen.

Ich stand vor der Tür und traute mich einfach nicht. Ich sah aus etwas Entfernung eher zu, wie nach und nach Menschen hinein gingen. Mir kamen Gedanken – wenn Dich dort jemand kennt – wenn Du dort als Mann auftauchst – wenn sie Dich alle für verrückt halten.  Hab ich mich angestellt. Die Zeit verging und irgendwann beschloss ich wieder zu gehen. So schlenderte ich dann durch die Stadt und spielte eben besagtes Handyspiel. Ging enttäuscht mit mir selbst nach Hause und musste mich dann noch mit einer zu recht enttäuschten Partnerin auseinander setzen, da ich meine Tochter einfach so mit den anderen daheim gelassen hatte. Sie nicht Bett fertig war etc.. Der Versuch ging dann also so richtig nach hinten los. Gut gemacht!

Es kam das Wochenende mit dem Outing und den darauf folgenden Problemen in unserer Beziehung. Die aktuell so wie ich hoffe, erstmal überstanden sind. Es wäre unrealistisch zu sagen, dass es nie wieder vorkommen wird. Auf jeden Fall wusste ich, dass an dem darauf folgenden Freitag eine Informationsveranstaltung der lokalen Selbsthilfegruppen statt finden würde. Also beschloss ich es erneut zu versuchen. Diesmal nur nicht so ganz ohne Druck, dann jetzt wollte auch meine Partnerin dass ich hingehe.

Es kam der Freitag. Das arbeiten viel mir an dem Tag relativ schwer, denn ich wusste was ich am Abend noch vor hatte. Die Stunden krochen dahin. “Hätte ich es doch schon hinter mir” oder “ich gehe nicht hin”  waren mal wieder meine Gedanken. Mit einem beklemmenden Gefühl fuhr ich dann dennoch los und landete prompt erstmal in einer Art Begrüßung, bei der sich die Dachorganisation und die Gruppen ein wenig vorgestellt haben. Ich stand also dort, in der Aula einer Schule. Um mich rum etwa 200 Menschen und hörte es mir an. Ich dachte dabei immer nur, was wenn Dich jemand erkennt. Gut ich kann ja wegen sonst was da sein. Versuche mich abzulenken funktionierten nur teilweise. Ich endeckte in meiner unmittelbarer Nähe einen jungen Mann. Betrachtete ihn und erkannte dass es ihm ähnlich ging. Als ich dann noch den BH unter seinem Shirt entdeckte war es mir klar, wo er hingehen wollte.

Nach einer halben Ewigkeit war die Begrüßung zu ende und man konnte wenn man wollte die einzelnen Gruppen besuchen. Ich riss allen Mut zusammen und wollte mich auf den Weg machen. Doch dann.. oh schreck .. vor der Treppe zu den Selbsthilfegruppen stand eine Person die ich kannte und unterhielt sich. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Stehen bleiben und umdrehen wäre auffälliger gewesen als Augen zu und dran vorbei. “Hoffentlich erkennt sie mich nicht” und ich war vorbei gehuscht. Ein Stein viel mir vom Herzen.

Ich war auf dem Weg zur Gruppe. Bog um die Ecke und fand dann ein Wegweiser zur Gruppe. Ich schaute die Treppe runter, versuchte so schnell wie möglich alles zu analysieren. Alle waren beschäftigt und kannten sich offenbar schon. Es war offensichtlich niemand da, den sie noch nicht kannten. Wieder schoss es mir durch den Kopf – “Dreh Dich um und geh” – Nur was hätte ich daheim erzählen sollen. Also nochmal Augen zu und durch. Ich ging die Treppe runter, lehnte mich ans Geländer und dachte höre erstmal zu. Schnell wurde ich angesprochen und gefragt ob ich mich dazu setzen möchte, was ich nach einigen zögern dann auch Tat.

Hier saß ich nun. Ob sie schon bemerkt haben das ich eine/r von Ihnen bin ? Nach und nach setzten sich alle anderen auch dazu und begannen zu reden. Thema war unter anderem das letzte Gruppentreffen und das Outing von jemanden auf der Arbeit. Ich fühlte mich gleich wohl. Eigentlich hätte mir schon da auffallen müssen, dass sie es mehr oder weniger wussten. Keiner unternahm den Versuch mir etwas über Transgender, Transgeschlechtlichkeit zu erzählen.  Andere die dann kurz vorbei kamen, wurden gründlich informiert. Ich hingegen wurde behandelt, als ob ich schon immer dazu gehört habe. Und ja es fühlte sich gut an. Menschen zu haben die offensichtlich so sind wie ich.

Es kam dann ein Visagisten Team und fing nebenbei an, die Anwesenden zu stylen. Die Gruppe wurde lockerer und verteilte sich. Ich führte das ein oder andere Gespräch ohne allzu viel von mir preis zu geben. Ich glaube so weit bin ich noch nicht. Gemerkt habe ich es vor allem, als mich ein Transmann fragte seit wann ich es weiß und ich versuchte was aus meinem Leben zu erzählen. Es ging nicht, ich hätte losheulen können. Es ging nicht. Ich bat ihn darum um Verzeihung, dass ich es jetzt nicht kann. Ich brachte nur heraus, dass ich es im Grunde mein Leben lang weiß, es aber erst seit kurzen mir eingestehe – Was ja auch der Wahrheit entspricht.

Die Zeit verging. Ich sprach dann ausführlich mit der Gruppenleiterin. Erfuhr das ein oder andere über Partnerschaft und Transgender. Ich fühlte mich wirklich heimisch. Nebenbei beobachtete ich die Fortschritte der Visagisten und war vom ein zum anderen Mal verblüfft, was alleine durch Makeup und einer Perrücke möglich ist. Irgendwann wurde ich gefragt ob ich nicht auch mal möchte. Ich lehnte ab, auch wenn ich es zu gern gewollt hätte, aber wollte ich meine Freundin nicht damit überfordern, wenn ich geschminkt heim gekommen wäre.

Die Veranstaltung neigte sich dem Ende, ich wurde eingeladen zum Gruppentreffen mit nach Nürnberg zu fahren. Allerdings musste ich absagen, da ich es zeitlich nicht hinbekommen werde. Dafür habe ich mir aber vorgenommen beim nächsten Treffen hier dabei zu sein.  Wir gingen dann mehr oder weniger geschlossen, alle zu den Autos und ich fuhr nach einer tollen Erfahrung mehr nach Hause.

Stichworte: Ich und die Selbsthilfegruppe Mein Leben SHG

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